Bis ans Limit

Der Beruf des PR-Beraters in der Reiseindustrie besteht nur aus Entspannen und Urlaub machen, richtig? Falsch. Unser Kollege Manuel, zwar sportlich und Bayer, aber eher weniger für das Gebirge geschaffen, stieß in Breckenridge an seine Leistungsgrenzen – und war dann auf über 4.100 Metern dennoch froh, die Strapazen auf sich genommen zu haben. 

Town at Sunset in Breckenridge, CO. Copyright Breckenridge Tourism Office_Jeff Andrew
Town at Sunset in Breckenridge, Colorado. Copyright Breckenridge Tourism Office_Jeff Andrew

Breckenridge, Colorado. Etwa zwei Fahrstunden westlich der Metropole Denver, mitten in den Rocky Mountains. Das kleine verschlafene Goldgräberstädtchen verfügt über eine beschauliche Einwohnerzahl von nicht mal 5.000 und liegt so ziemlich genau auf derselben Höhe wie Deutschlands höchster Berg, die Zugspitze. Das heißt im Klartext: Bergwanderungen von hier aus gehend sind mit das Schönste, was Alm-Öhis dieser Welt erleben können, aber auf Grund der immer dünner werdenden Luft auch ziemlich anstrengend, wie ich Jahr für Jahr aufs Neue lerne.

Doch der Reihe nach. Ein Trip in die Rockies beginnt immer gleich: Die ersten Tage lässt man es ruhig angehen, der Körper soll sich gemächlich an die Höhenluft gewöhnen und langsam akklimatisieren. Viel Wasser trinken bereits einige Tage im Voraus zur Reise und ausreichend Sonnencreme einpacken sind ein Muss, schließlich ist man hier der Sonne ein gehöriges Stück näher als in heimischen Gefilden. Ein Tipp vor Ort: eine der vielen Sauerstoffbars ausprobieren! Entweder tatsächlich in einer „O2-Bar“ bei dem ein oder anderen Kaltgetränk, wobei purer Sauerstoff aus Schläuchen eingeatmet wird, oder in den Spas der zahlreichen Hotels in der Region. Bestens vorbereitet geht es dann nach ein paar Tagen los, der Anstieg kann beginnen.

Breckenridge (c) Manuel Kalleder
Breckenridge (c) Manuel Kalleder

Mit einem vollen Rucksack samt Verpflegung für zwei Tage und Schlafsack geht es mit den ersten Sonnenstrahlen durch unzählige Wälder und Wiesen sowie klare Bergseen gemächlich hinauf. Stets umgeben von steinernen Giganten, die hier entweder der Einfachheit halber von Peak 1 bis Peak 10 durchnummeriert wurden oder aber auch lustige Namen tragen, wie „Father Dyer Peak“, benannt nach einem Pfarrer, der hier vor einiger Zeit nicht nur auf Skiern gepredigt hat, sondern bei der Gelegenheit auch gleich die Post auslieferte.

Nach ein paar Stunden sind wir schon gut durchgeschwitzt und haben die erste Etappe erreicht: Francis Cabin. Unsere Selbstversorgerhütte wird unsere Behausung sein für die letzte Nacht in Colorado und sieht einfach traumhaft aus. Wir haben noch nicht mal vollständig unser Gepäck abgelegt, da umgeben uns schon unzählige Eichhörnchen, die die Neuankömmlinge neugierig beobachten. Über uns dreht tatsächlich ein Weißkopfseeadler erhaben seine Kreise und am nächsten Morgen entdecken die Frühaufsteher noch vor dem Sonnenaufgang einen Waschbären und ein Reh. Doch vom Schlafen sind wir noch weit entfernt.

Breckenridge (c) Manuel Kalleder
Breckenridge (c) Manuel Kalleder

Paul Schmidt, unser Guide mit deutschen Wurzeln, lässt uns in fast akzentfreiem Deutsch wissen, dass wir noch ein gutes Stück vor uns liegen haben. Der Naturbursche im Karo-Hemd stakst voraus und wir folgen bereitwillig. Die Luft wird immer dünner, die Beine schwerer, aber die fantastische Aussicht und der vor uns liegende kristallklare Crystal Lake entschädigt für alles. Hier nehmen wir eine letzte Stärkung ein, bevor wir den Blick nach oben richten, auf unser Tagesziel, den Peak 10. Die Wege werden immer schmaler und felsiger, die Luft noch dünner – aber die Aussicht dafür auch noch schöner. Wir sind alle schon ziemlich kaputt und bewegen uns am Limit unserer Kräfte. Aber nicht nur hat uns der Ehrgeiz gepackt, unseren ersten 4.000er zu bezwingen, nein, wir wissen, dass der Blick oben für alles entschädigen wird.

Breckenridge (c) Manuel Kalleder
Breckenridge (c) Manuel Kalleder

Und endlich ist es soweit. Auf 4.155 Metern sind wir an der Spitze angelangt – Amerika-typisch mit einer Flagge ausgewiesen, die vom Wind schon ordentlich zerzaust ist. Muskeln und Lunge brennen, als wir uns ins Gipfelbuch eintragen (unmittelbar neben dem Vermerk eines unserer Vorgänger: „NEVER AGAIN“) aber die Aussicht ist noch gigantischer, als wir uns erträumt haben. Der riesige See von eben wirkt winzig klein. Und das eh schon übersichtliche Breckenridge ist kaum mehr wahrnehmbar. Und doch: Um uns rum sehen wir unzählige Gipfel, die noch viel höher liegen als unser Peak 10.

Breckenridge (c) Manuel Kalleder
Breckenridge (c) Manuel Kalleder

Nach einer langen Pause und gefühlt fünf Energieriegeln später geht es langsam wieder zurück zu Francis Cabin. Eigentlich dachten wir, hier noch auf unseren Ausflug gemeinsam anzustoßen, aber selbst dazu fehlt uns die Kraft. Einzig frisch von Paul zubereitete Spaghetti können wir noch zu uns nehmen, bevor uns völlig erschöpft und rundum zufrieden die Augenklappen zufallen.

Ausgeschlafen treffen wir uns beim Frühstück wieder. Nicht zu übersehen ist, wie jeder innerlich strahlt und stolz ist auf das, was wir gestern gemeinsam gemeistert haben. Was für ein Erlebnis. Schweren Herzens nehmen wir Abschied von unserer Hütte und begeben uns zurück ins Tal – und noch am selben Tag mit dem Shuttle zurück zum Flughafen nach Denver. Die Gedanken bewegen sich zurück zu unseren tollen Erlebnissen, zum Fliegenfischen im Colorado River, zum Schlittenfahren mit Huskys, zum BIFA Kulturfestival, zum Besuch der höchsten Destillerie der USA und natürlich auch zum Peak 10, den wir von fern nur mehr erahnen, während wir mit ordentlichem Muskelkater und einem breiten Grinsen im Gesicht wieder Richtung Heimat abheben.

Breckenridge (c) Manuel Kalleder
Breckenridge (c) Manuel Kalleder
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