Room with a view

Egal, ob eine Unterkunft privat oder geschäftlich genutzt wird, einer der spannendsten Momente beim Inspizieren des Hotelzimmers, der Resort-Suite oder des Lodgezeltes ist der, wenn man den Vorhang am Fenster zur Seite schiebt, hinausguckt und entweder die Außenwelt glückselig ins temporäre Zuhause bittet oder alles dafür tut, sich von ihr abzuschirmen, um jeglichen (Blick-)Kontakt zu vermeiden. Für unsere Kollegin Sabrina ist der Blick aus dem Fenster –  egal, was sie dahinter erwartet – zum liebgewonnenen Reiseritual geworden. Doch was passiert, wenn man nicht mehr unterwegs ist?

Room with a view in Oregon_(C) Sabrina Hasenbein

Als ich zum ersten Mal den Text zu Tina Dicos Song „Room with a view“ hörte, wusste ich, dass das Lied großes Potential hat, meine persönliche Reisehymne zu werden. Denn ganz gleich, in welcher Unterkunft und in welcher Destination ich auch übernachten würde, ein „Room with a view“ und „An armchair by the window“ mit einem „Cup of Coffee“ würden mich immer glücklich machen.

Room with a view Niagarafälle (c) Sabrina Hasenbein

Vom Blick aufs Rollfeld im Flughafenhotel über die Aussicht auf die Niagarafälle, die am Abend beleuchtet werden, bis hin zur Bilderbuchkulisse in Form von Weinbergen in Oregon, konnten sich meine Augen schon an vielen schönen und interessanten Panoramen erfreuen.

Doch es gibt zwei Landschaften, die ich vielmehr mit dem Herzen als mit den Augen sehe: die Erste eröffnet sich, wenn ich in Honolulu ein Hotelzimmer beziehe, das sowohl makai als auch mauka Aussichten eröffnet, also zur einen Seite die Sicht auf das Meer und zur anderen Seite der Blick auf die Berge preisgibt. Egal, zu welcher Tages- und Nachtzeit ich aus dem Fenster oder im besten Fall vom Balkon blicke, dieses zweigeteilte Bild ist einfach grandios!

Room with a view Hawai’i (c) Sabrina Hasenbein

Während der Sonnenstunden und zum Sonnenauf- und -untergang ist „Ocean View“ ein Traum, doch sobald es finster wird, funkeln die Lichter in den Wohngegenden entlang der Berge, vom Fuß bis zum höchstmöglichen Punkt des Hangs, im aufregenden, unregelmäßigen Rhythmus und machen den Sternen Konkurrenz. Das Rauschen des Meeres untermalt kraftvoll die Lichtermelodie, nur um sicherzustellen, dass ihm der nächtliche „Mountain View“ zu keiner Zeit die vollständige Aufmerksamkeit streitig macht.

 

Room with a view New York City (c) Sabrina Hasenbein

Die zweite Landschaft, die mir ans Herz gewachsen ist, ist „City View“ pur: Der Blick aus dem 5. Stock “meines Home away from Home“ auf der Upper West Side in New York. Feuerleitern, Skyscraper in der Ferne, lange, breite Straßenzüge, auf denen jedes zweite Auto durch sein Taxigelb hervorsticht, und die französische Bäckerei genau gegenüber, in der fast ausschließlich auf Spanisch kommuniziert wird – schon der Gedanke allein ist mein persönliches Ommm, aber in schnell und urban.

Schwierig wird es, wenn die Aussicht auf diese Aussichten schlecht ist oder im neuen Normal vorerst nicht existiert. Natürlich verfügt meine Münchner Wohnung über Fenster, durch die ich auf gegenüberliegende Häuser blicke. Das ist immerhin ein Anfang. Und mit dem YPS-Spion-Fernglas, das den Blick um die Ecke gewährt, würde ich sogar ein kleines Stück des Isarverlaufs erhaschen. Dennoch ersetzen weder der Fluss, Häuserzeilen mit Lichtquellen noch die türkische Bäckerei nebenan oder beigefarbene Taxen den „room with a view“ in Honolulu und New York.

Room with a view München (c) Sabrina Hasenbein

Ich versuche also, das Gefühl mit einem „armchair by the window“, einem „cup of coffee“ in der Hand, meiner „homesick Hawai‘i“-Kerze und der Hawai‘i Magazine Spotify Playlist, wahlweise mit meiner New York-Straßenlärm-App, zu rekonstruieren – wäre da nicht der wunderschöne, beleuchtete Globus meines Nachbarn auf der anderen Straßenseite, der mir jeden Abend (ich vermute eine Schaltzeituhr, deren Signal von meinem Fernweh ausgelöst wird) auf schmerzliche Art und Weise bewusst macht, dass die Welt eben nicht immer zum Greifen nahe ist und sich auch nicht verbindlich an mein persönliches Reisekonstrukt hält. Zum Glück sind jedoch die Lieblingsausblicke im Herzen und auf der SD-Karte gespeichert. Falls „es“ doch noch etwas länger dauern sollte…

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